Autor - Harald Besser
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat das getan, worauf viele Kreditnehmer gewartet haben: Sie hat die Leitzinsen erstmals seit 2019 gesenkt, und zwar um 0,25 Prozentpunkte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und andere Ratsmitglieder betonten wiederholt, dass zukünftige Zinsschritte datenabhängig sein würden, was die Märkte beruhigte. Ob in diesem Jahr noch ein weiterer Senkungsschritt erfolgen wird, ist ungewiss.
Die Entscheidung, die Zinsen zu senken, markiert eine bedeutende Zinswende in der Euro-Zone, die nach einer Phase rascher Zinserhöhungen von 2022 bis 2023 nun eine lockerere Geldpolitik einleitet. Nach der Zinssenkung notieren der Hauptrefinanzierungssatz und der Einlagenzins nun bei 4,25 % bzw. 3,75 %. Diese Änderung wurde von den Finanzmärkten erwartet, da die EZB in den letzten Wochen klare Signale sendete. Die Entscheidung, die Zinsen zu senken, basiert auf einer aktualisierten Beurteilung der Inflationsaussichten und der wirtschaftlichen Dynamik. Obwohl die Inflation zurückgeht, bleibt sie hartnäckig über dem Zielwert von 2 %. Die EZB prognostiziert für 2024 eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5 %, für 2025 2,2 % und für 2026 1,9 %. Damit wurden die vorherigen Prognosen leicht nach oben korrigiert. Trotz dieser höheren Erwartungen sieht die EZB den Bedarf, die geldpolitische Restriktion zu reduzieren, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Für Sparer bedeutet die Zinssenkung, dass die Zeiten hoher Sparzinsen langsam zu Ende gehen werden. Das könnte dazu führen, dass mehr Geld in renditestärkere Anlagen fließt oder der Konsum anzieht, was die Nachfrage in der schwachen Euro-Zonen Wirtschaft steigern soll. Für Kreditnehmer, insbesondere bei Immobilien- und Autokrediten, ist die Zinssenkung eine gute Nachricht. Günstigere Finanzierungen machen dann den Kauf solcher Güter attraktiver und sollten somit auch den Immobilienmarkt und den Automobilsektor beleben.
Europa ist anders
Die EZB lässt sich in Bezug auf zukünftige Zinsschritte nicht in die Karten schauen. Lagarde betonte, dass die Zentralbank ihre Entscheidungen von Sitzung zu Sitzung treffen werde, basierend auf den neuesten wirtschaftlichen Daten. Während einige Mitglieder des EZB-Rats für eine weitere Zinssenkung bereits im Juli plädieren, wollen andere sich mehr Zeit lassen. Die Märkte rechnen derzeit mit ein bis zwei weiteren Zinssenkungen von 0,25 Prozentpunkten bis zum Jahresende.
In den vergangenen 25 Jahren hat die EZB nur ein einziges Mal vor der Fed Zinsänderungen vorgenommen. Im Frühjahr 2011, als die Finanzkrise überwunden schien, leitete die EZB überraschend einen Zinserhöhungszyklus ein. Der Beginn der Eurokrise zwang die Währungshüter jedoch schnell wieder zu einem Rückzieher. Der aktuelle Zinszyklus ist jedoch anders: Die US-Wirtschaft verzeichnete 2023 und voraussichtlich auch im Jahr 2024 ein dynamisches Wachstum mit hartnäckig hoher Inflation. Im Gegensatz dazu stagniert die Wirtschaft in der Eurozone aufgrund zahlreicher Krisen wie der Energiekrise mit Wachstumsraten von nur 0,4 Prozent 2023 und von voraussichtlich nur 0,7 Prozent 2024. Gleichzeitig zeigt der Trend bei der Inflation in der Eurozone nach unten. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus angebracht, dass die EZB bereits jetzt vor der US-Notenbank den Leitzins senkt.
Geringer Konjunkturimpuls
Leidtragender dieser Entwicklung wird wahrscheinlich der Euro sein, der gegen dem USD weiter an Wert verlieren könnte. Doch auch dies würde der Eurozonen-Konjunktur eine dringend benötigte Unterstützung liefern, indem es die Exporte wettbewerbsfähiger macht und somit das Wirtschaftswachstum fördert.
Die Zinssenkung der EZB markiert eine Wende in der Geldpolitik der Euro-Zone, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Sparer müssen sich auf niedrigere Einlagenzinsen einstellen, während Kreditnehmer von günstigeren Finanzierungskonditionen profitieren können.
Die EZB hat gerade die Handbremse gelockert und beginnt vorsichtig auf das Gaspedal zu drücken. Diese erste Bewegung markiert den Beginn einer Fahrt, die jedoch noch deutlich an Schwung gewinnen muss, um die Konjunktur effektiv anzuschieben.
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